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Aktualisiert: 17. September 2013 / updated: 17 September 2013

William Shakespeare:
Seine Zeit - Sein Leben - Sein Werk

[William Shakespeare: His time - his life - his work]

c. Repliken / Replies

 

 

Replik auf E. A. J. Honigmann: ”Catholic Shakespeare? A Response to Hildegard Hammerschmidt-Hummel, Connotations, Vol. 12.1 (2003/2004), S. 52-60 - www.uni-tuebingen.de/uni/nec/ham-hu1223.htm

English translation

Der englische Shakespeare-Forscher E. A. J. Honigmann hat sich der Mühe unterzogen, zu meiner Shakespeare-Biographie William Shakespeare. Seine Zeit - Sein Leben - Sein Werk [1] Stellung zu nehmen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Dankbar bin ich auch für die klare Definition seiner eigenen Ausgangsposition mit Blick auf den “katholischen Shakespeare” (“Catholic Shakespeare”) sowie für die von ihm vorgenommene vergleichende Beschreibung der unterschiedlichen Standorte von Autorin und Rezensenten. Auf beides werde ich weiter unter näher eingehen.

Grundsätzlich kritisiert Honigmann an meiner Shakespeare-Biographie, sie akzentuiere zu stark die Bedeutung der katholischen Religionszugehörigkeit William Shakespeares, und spricht in diesem Zusammenhang abfällig von ”a major preoccupation” (52). Meine Annahme, daß Shakespeare an einem katholischen Kolleg ausgebildet worden sein müsse, bezeichnet Honigmann als “wishful thinking” (57). Er beruft sich statt dessen - wie es scheint affirmativ - auf den englischen Dramatiker und Shakespeare-Editor Nicholas Rowe, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts äußerte, John Shakespeare, der Handschuhmacher und Ladenbesitzer, habe seinem Sohn William keine bessere Ausbildung geben können als seine eigene - so wie es in dieser Zeit üblich gewesen sei (“as was usual at this time” - 57). Üblich war aber, daß bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Söhne der englischen Bauern, Handwerker und Kaufleute an den englischen Universitäten studierten. Daß auch Shakespeare studiert haben muß, offenbart nicht nur das in seinem Werk begegnende akademische Wissen, sondern auch die Überlieferung, er sei in seinen jungen Jahren Schulmeister auf dem Lande gewesen. Es war bekanntlich Honigmann, der in Shakespeare. The ‘lost years [2] die Schulmeisterthese wieder aufgegriffen, entscheidend erhärtet und in William Shakeshafte, der in dem Testament des Katholiken Alexander de Hoghton aus dem Jahre 1581 mehrfach positiv hervorgehoben wird, den jungen Lehrer (und Musikanten) William Shakespeare gesehen hat. Es war Honigmann, der erstmals schriftlich festhielt, der gegenwärtige katholische Eigentümer von Hoghton Tower, Sir Bernard de Hoghton, habe ihm gegenüber von einer mündlichen Familientradition berichtet, derzufolge der Dichter zwei Jahre in dem katholischen Adelshaushalt seiner Vorfahren gelebt habe. [3] Nun muß er sich fragen lassen, wie er zu seinen eigenen Forschungsergebnissen steht: War Shakespeare nun ungebildet oder hatte er eine akademische Ausbildung? Natürlich muß er ein College besucht haben, und zwar im Ausland. Das weiß auch Honigmann. Denn es ist bekannt, daß der Dichter an keiner der beiden englischen Universitäten studiert hat. Honigmann weiß auch, daß für einen illegalen elisabethanischen Privatlehrer in einem katholischen Adelshaushalt nur eine Ausbildungsstätte in Frage kam: nämlich das Collegium Anglicum, weil es zu jener Zeit das einzige katholische Kolleg für junge englische Katholiken war, sich zudem größter Beliebtheit erfreute und in kürzester Zeit immense Zuwachsraten verbuchen konnte. [4]

An meiner These, daß Shakespeare katholisch war und seine Religion sogar der Schlüssel für das Verständnis seines Lebens und Werks ist, halte ich - nach gründlichem Studium der historischen Quellen, dem Aufspüren neuer (bzw. neu erschlossener) zeitgenössischer Text- und Bildzeugnisse, deren Auswertigung unter Mitwirkung zahlreicher Fachgutachter anderer Disziplinen erfolgte, und dem ständigen Austausch mit Fachkollegen, die die Richtigkeit und Plausibilität meiner Ergebnisse prüften - uneingeschränkt fest. [5] Dies um so mehr, als sie mit der von renommierten Historikern der frühen Neuzeit seit geraumer Zeit diskutierten und allgemein akzeptierten sogenannten Konfessionalisierungstheorie harmoniert, die besagt, daß die Religion in der frühen Neuzeit im Leben jedes Einzelnen eine zentrale Rolle spielte. [6] Dessen waren sich auch Shakespeares Zeitgenossen voll bewußt. Michel de Montaigne (1533-92) beispielsweise, der bekanntlich großen Einfluß auf Shakespeare ausübte, bemerkte: “Nothing is more subject unto a continuall agitation then the laws. I have, since I was borne, seene those of our neighbours, the English-men, changed and re-changed three or foure times, not only in politike subjects, which is that some will dispense of constancy, but in the most important subject that possibly can be, that is to say, in religion: whereof I am so much the more ashamed, because it is a nation with which my countriemen have heretofore had so inward and familiar acquaintance [...].” [7]

Ich möchte nun auch en detail zu einzelnen Kritikpunkten des Rezensenten Stellung nehmen:

Honigmanns Ausgangsposition
Der Rezensent versucht, Shakespeares Katholizismus auf nur wenige Phasen im Leben des Dichters zu reduzieren: auf Kindheit, Jugend, die verlorenen Jahre und das Lebensende, wobei er selbst diese noch in Frage stellt: ”What is the evidence for this ‘Catholic Shakespeare’?” Der ”katholische Shakespeare”, so meint er, lasse sich lediglich an zwei Arten von Indizien (”circumstantial evidence”) festmachen: (1) an den bekannten oder vermuteten “katholischen Sympathien” (”Catholic sympathies”) der Familie des Dramatikers sowie seiner Freunde und Patrone und (2) an den “katholischen Attitüden” (”Catholic attitudes”), die in die Dramen eingebettet seien.

Honigmanns vergleichende Beschreibung der unterschiedlichen Standorte von Rezensent und Autorin
“Like Hammerschmidt-Hummel”, so führt Honigmann aus, “I favour a Catholic Shakespeare, though with a difference: her Shakespeare studied at the English College at Rheims [...], visited the English College in Rome in 1585, 1587, 1589, 1591, under various assumed names (‘Arthurus Stratfordus Wigorniensis,’ ‘Gulielmus Clerkue Stratfordiensis’ etc. 72), which, with much else, follows from her certainty that his parents were Catholics. My Shakespeare was probably (but by no means certainly) brought up as a Catholic, probably continued as a Catholic in his ‘lost years,’ and possibly returned to his Catholic faith on his death-bed, after (probably) converting to the Church of England when or soon after he started his career in the theatre. Even though it seems incredible that a writer so curious about other nations should never visit any, I know of no hard evidence that he did - which is not to say that he could not have done so” (54).

Entgegnung der Autorin
Dem Rezensenten ist entgegenzuhalten, daß es nicht nur Indizien, sondern sichere Beweise gibt für den strengen Katholizismus der Eltern des Dichters und des gesamten Umfeldes, in das er hineingeboren wurde. Die Mutter, Mary Arden, kam aus der Nebenlinie eines erzkatholischen Adelsgeschlechts, das in ein katholisches Komplott verwickelt. Familienchef Edward Arden von Parkhall wurde 1583 als Hochverräter gehängt. Der Vater, John Shakespeare, besaß ein sogenanntes Borromeosches Testament, ein persönliches schriftliches katholisches Glaubensbekenntnis, in dem jeder der Paragraphen seinen Namen trug. Der vorformulierte Text stammte von dem Mailänder Kardinal Carlo Borromeo (1538-84), der ihn den Anführern der jesuitischen Missionsbewegung, Pater Edmund Campion und Pater Robert Parsons, überreichte. Campion und Partsons verteilten es ab 1580 in großer Zahl an englische Katholiken. Auf diese Glaubensbekenntnisse hatten es die Ratsherren der Boroughs bei ihren Razzien abgesehen. Denn sie reichten vor Gericht für eine Anklage und Verurteilung als Hochverräter aus. John Shakespeare muß sein Exemplar im Dachgestühl seines Hauses versteckt haben. Dort wurde es rund 250 Jahre später durch Zufall wiederentdeckt. Honigmann verschweigt dieses Beweisstück ebenso wie die Tatsache, daß sowohl der Vater des Dichters als auch seine älteste Tochte Susanna auf der Rekusantenliste standen, also Verweigerer des anglikanischen Gottesdienstes bzw. Abendmahls waren.

Als Kämmerer der Stadt Stratford zahlte John Shakespeare in den 1560er Jahren illegal tätigen (ganz offensichtlich katholischen) Lehrern ein Entgelt, ohne darüber Buch zu führen. Unter ihnen war ein William Allen, der vermutlich mit dem Gründer des Collegium Anglicum in Douai bzw. Reims identisch ist. [8] Allen steht auf der Tafel mit den Namen der Stratforder Schulmeister - sein Vorname aber wurde weggelassen. [9]

Bereits hier sei erwähnt, daß John Shakespeare lesen, schreiben und rechnen gelernt haben muß. Honigmann stellt dies in Zweifel - vornehmlich unter Berufung auf Samuel Schoenbaum, dessen Argumente jedoch nicht einleuchten. Schoenbaum deutete das Handwerkszeichen John Shakespeares, ein Kreuz, mit dem der Vater des Dichters zeichnete, irrtümlicherweise als Zeichen von Analphabetismus. Seine vorbildlichen Faksimile-Wiedergaben einzelner Seiten aus John Shakespeares Buchführung [10] aber hätten ihn eigentlich vom genauen Gegenteil überzeugen müssen. Schon Schoenbaum hätte sich fragen müssen, wie der Vater des Dichters (als Analphabet) das Gehalt des Stratforder Schulmeisters auszahlen und verbuchen konnte. Übrigens war es das auf den Handschuhen des Tobias erkennbare Handwerkszeichen John Shakespeares, das meine These, auf dem Wandfresko im White Swan in Stratford sei dem Theater zugeneigte Handschuhmacher und Bürgermeister John Shakespeare als Laiendarsteller wiedergegeben [11], stark stützt. Honigmann verschweigt dieses wichtige Detail.

Die Unterrichtung des jungen Shakespeare durch den katholischen Schulmeister Simon Hunt hält Honigmann zwar für sehr wahrscheinlich (“it is very likely” - 56), auch erwähnt er, Hunt sei 1575 nach Douai geflohen und später Jesuit geworden (vgl. 56), aber er hält andere wichtige Informationen zurück: beispielsweise, daß Shakespeares Lehrer als Jesuitenpater in Rom Karriere machte und 1580 englischer Poenitentiar (Beichtvater) am Stuhl von St. Peter wurde - als Nachfolger des bereits genannten Robert Parsons, dem wohl wichtigsten Kopf und Vordenker des englischen Exilkatholizismus, der der Erzfeinds der englischen Krone war. Hunt war somit eine einflußreiche katholische Persönlichkeit aus dem Stratforder Umfeld des Dichters und dürfte prägend auf den jungen Shakespeare gewirkt haben. Er ging übrigens nicht allein nach Douai, sondern nahm einer seiner Schüler mit: Robert Debdale aus Shottery, einen Nachbarn Anne Hathaways, die 1582 Shakespeares Ehefrau wurde. Im Jahre 1585, als ein weiteres rigides antikatholisches Strafgesetz in Kraft trat, starb Debdale in England den Märtyrertod. In diesem Jahr starb in Rom auch Simon Hunt - unter ungeklärten Umständen. Shakespeare selbst verließ im Februar 1585 seine Heimatstadt Stratford fluchtartig. Im April 1585 wird im Pilgerhospiz des Englischen Kollegs in Rom ein Arthurus Stratfordus aus der Diozese Worcester eingetragen. Dieser erste Eintrag, aber auch weitere Einträge mit dem Namen Stratford deuten auf Shakespeare hin. Zudem offenbart der gesamte historische Kontext, daß der Dichter in das Netzwerk des englischen Exilkatholizismus eingebunden war.

Viele Details wurden schon in meinem Buch Die verborgene Existenz des William Shakespeare (2001) ausführlich dargestellt, wie Honigmann bekannt gewesen sein dürfte. Es ist daher unverständlich, warum er alles daransetzt, den Schulbesuch des Dichters in Stratford wie auch seinen College-Besuch in Reims in Frage zu stellen: Die relevanten Schulakten, so argumentiert er, seien verschwunden und man wisse deswegen nicht, ob William dort unterrichtet worden sei (vgl. 56-57). Dem ist allerdings zu entgegnen, daß Selbstverständliches keines gesonderten Nachweises bedarf. Denn natürlich darf als selbstverständlich vorausgesetzt werden, daß der 1568 zum Bürgermeister und Friedensrichter der Stadt aufgestiegene John Shakespeare seinen ältesten Sohn in die 1553 neu gegründete örtliche Grammar School geschickt hat.

Schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts besuchten junge englische Bürgersöhne in erstaunlich großer Zahl die neuen Lateinschulen und wurden Theologen, Juristen, Ärzte oder Lehrer. Das war in England nicht anders als im übrigen Europa. Der nicht gerade reiche Bergmann Hans Luther schickte seinen Sohn Martin bereits mit 5 Jahren (1488) in eine Lateinschule. Der Junge mußte sogar in die Schule getragen werden, weil seine Beine zu schwach waren. Später opferte sein Vater sein erstes erspartes Geld, um ihm das Studium an der Universität Erfurt zu ermöglichen. Auch in England strebten die Bürgersöhne - wie erwähnt - nach höherer Bildung. [12] 1516 ermahnte der Humanist Richard Pace den Adel Englands, das Studium der Literatur nicht den Bauernsöhnen zu überlassen.

Eine Vielzahl von Hinweisen rechtfertigt die These, daß der junge Shakespeare ein akademisches Grundstudium am jesuitisch orientierten Collegium Anglicum in Douai bzw. Reims absolviert hat. Die Nutzung dieser katholischen Bildungseinrichtung entsprach damals der Typik der Lebensläufe junger englischer Katholiken, die Oxford und Cambridge wegen des obligatorischen Suprematseid mieden. Es ist erstaunlich, daß bisher niemand auf die naheliegende Idee gekommen ist, auch die Shakespeares könnten für ihren Sohn diesen Weg gewählt haben. Vielleicht liegt dies daran, daß in der englischen Geschichtsschreibung bisher die Meinung vorherrschte, das Kolleg habe ausschließlich der Priesterausbildung gedient. Das ist aber unzutreffend. Es handelte sich um ein Alternativ-Angebot, weil eine akademische Ausbildung unter katholischem Vorzeichen in England nicht mehr möglich war. Als William das College-Alter erreicht hatte, verpfändeten die Shakespeares große Teile ihres Vermögens - vermutlich um den kostspieligen Studienaufenthalt ihres Sohne zu finanzieren. In den Diarien von Douai gibt es teilweise gelöschte Einträge, die ebenfalls auf Shakespeares Präsenz hindeuten. Mehr noch: Shakespeare war - wie bestimmte Textstellen seiner Dramen beweisen - mit der Nomenklatur der Klassen des Collegium Anglicum vertraut und weist sogar auf den Studienort Reims hin. [13] Das meiste davon verschweigt oder ignoriert Honigmann.

Die Vermittlung des jungen Shakespeare als illegaler Lehrer (und Musikant) in den katholischen Adelshaushalt von Hoghton-Tower könnte durch die engen Kontakte zwischen William Allen und Sir Thomas de Hoghton zustandegekommen sein. Sir Thomas, der nach Flandern ins Exil ging, hatte Allen bei der Kolleg-Gründung geholfen. Im Testament des Alexander de Hoghton aus dem Jahre 1581 wurde der junge Shakespeare - wie erwähnt - als “William Shakeshafte” identifiziert.

In Alexander de Hoghtons Testament konnte ich eine geheime Organisation (mit genauer Rangfolge und Bezahlung) aufdecken, die zu einem bestimmten guten, aber nirgendwo näher erläuterten Zweck gegründet wurde. [14] An dieser Stelle hat Honigmann kapituliert. [15] In seiner Rezension verschweigt er meine Entschlüsselung wie auch meine Deutung, daß es - ein Jahr nach Beginn der jesuitischen Remissionierung Englands, als ein weiteres rigides antikatholisches Strafgesetz in Kraft getreten war - wohl in allererster Linie um den Schutz der auch für Hoghton Tower nachgewiesenen Missionspriester ging, die als Hochverräter gejagt wurden. Der Jesuitenpater und spätere Märtyrer Edmund Campion, in Oxford einst als “Cicero Englands” gefeiert, hielt sich nachweislich im Sommer 1580 in Hoghton Tower auf, zu einer Zeit, als der junge Shakespeare dort bereits tätig gewesen sein dürfte. Jedenfalls erwähnt Alexander de Hoghton ihn 1581 mehrfach und ist fürsorglich um ihn bemüht.

Diejenigen, denen de Hoghtons größte Fürsorge gilt, waren wohl in der Tat die verfolgten Priester. Sie werden in seinem Testament - unverfänglich - als “Schauspieler” (“players”) bezeichnet. Wenn das so ist, folgt daraus, daß man unter “play clothes” nicht “Kostüme”, sondern “Meßgewänder” und unter “instruments belonging to musics” nicht “Musikinstrumente”, sondern “liturgische Instrumente” zu verstehen hat. Es ist undenkbar, daß de Hoghton ein so überaus kompliziertes Vertragswerk, in dem Herkunft, Verteilung und Überwachung der Gelder mit einem Treuhändervertrag abgesichert wurden, lediglich aus Sorge um seine Schauspieler ausarbeiten ließ. Ein von mir eingeholtes juristisches Fachgutachten bestätigt, daß ein solcher Vertrag immer einem bestimmten Zweck diente und daß die von Shakespeare eingesetzten Trustees das Anwesen auch nach seinem Tod - seinen Wünschen entsprechend - nutzen konnten. [16] Dieser Zweck aber wird im Vertrag - ganz offensichtlich aus Vorsichtsgründen - nicht genannt.

Dieses höchst wertvolle historische Dokument gibt uns nicht nur Aufschluß über Shakespeares erste - illegale - Beschäftigung, sondern auch über seine Einbindung in den katholischen Untergrund. Denn er rangierte in der Hoghtonschen Geheimorganisation im ersten Rang und wurde auf Lebenszeit bezahlt. Über diese signifikanten Zusammenhänge läßt Honigmann nichts verlauten, auch nicht darüber, daß der ca. 18-jährige Shakespeare als Autor eines ergreifenden Klagegedichts auf den Märtyrertod von Edmund Campion in Frage kommt [17], das da lautet:

The scowling skies did storm and puff apace,
They could not bear the wrongs that malice wrought;
The sun drew in his shining purple face;
The moistened clouds shed brinish tears for thought;
The river Thames awhile astonished stood
To count the drops of Campion's sacred blood.

Nature with teares bewailed her heavy loss;
Honesty feared herself should shortly die;
Religion saw her champion on the cross;
Angels and saints desired leave to cry;
E'en heresy, the eldest child of hell,
Began to blush, and thought she did not well.


Auf die Belege, die ich im Oktober 2000 im Pilgerbuch des Pilgerhospizes des Englischen Kollegs in Rom aufgespürt habe, geht Honigmann zwar beiläufig ein (“’Arthurus Stratfordus Wigorniensis,’ ‘Gulielmus Clerkue Stratfordiensis’ etc.” - ), aber er spielt ihre Bedeutung herunter. Daß das in der Zeit von 1580 bis 1640 ausschließlich in den “lost years” (1585-92) und dann noch einmal 1613 verwendete Pseudonym “Stratfordus” in der Tat sehr deutlich auf Shakespeare hinweist, verschweigt der Rezensent. Übrigens habe ich für 1591 das Pseudonym nicht gefunden (wie Honigmann behauptet), sondern nur ein schadhafte Stelle, an der ein Name (in späterer Zeit) säuberlich herausgestochen wurde. 1613, als Shakespeare seine literarische Karriere beendete, muß er noch einmal nach Rom gereist sein. Denn diesmal verwendete er erneut den Namen seiner Heimatstadt und fügte ihm den Vornamen seines Bruders Richard hinzu, der im Februar 1613 gestorben war. Der Eintrag lautet somit “Ricardus Stratfordus”. [18]

In meiner Shakespeare-Biographie präsentiere ich zwei neue Belege, die Shakespeares Verbindungen zum katholischen Untergrund, seine Reisen auf dem Kontinent und seine Nutzung katholischer Einrichtungen bestätigen. Leider hat Honigmann beide übersehen. Schon der englische Historiker A. L. Rowse hatte beobachtet, daß in Robert Greenes autobiographischer Schrift “Groatsworth of Wit” (1592) mit einem gerade nach London gekommenen, selbstbewußt auftretenden jungen Schauspieler, der auch Stücke geschrieben hat, kein anderer als Shakespeare gemeint sein könne. [19] Bei der neuen Erschließung dieser Quelle fiel mir auf, daß der Fremde uns - verschlüsselt - auch über die Art seiner Tätigkeit in der Zeit von 1585 bis 1592 (identisch mit den “lost years”) berichtet: Er sei in diesen sieben Jahren “an absolute Interpreter to the puppets” gewesen. “Puppets” erinnert an die “players” in Alexander Hoghtons Testament. Beide Male dürften Priester gemeint gewesen sein. Wenn diese Deutung richtig ist, teilt der fremde Schauspieler (Shakespeare) hier mit, er sei in den letzten sieben Jahren “Vermittler” bzw. “Übersetzer” bei den “Priestern” (“puppets”) gewesen. Damit besitzen wir “einen zusätzlichen schriftlichen Beleg dafür, daß der Dichter sieben Jahre lang, nämlich von 1585 bis 1592, im katholischen Untergrund, d. h. in der verbotenen englischen Mission zur Rekatholisierung des Landes, eine wichtige, aber außerordentlich gefährliche Mittlerrolle gespielt hat und daher in jeder Hinsicht zu größter Wachsamkeit und Vorsicht und wohl auch zur Verwischung seiner Spuren gezwungen war”. [20]

Honigmann hat diese brisante, höchst aufschlußreiche, aber weniger bekannte Textstelle leider mit dem bekannteren Passus [21] in “Groatsworth of Wit” verwechselt, in der Robert Greene Shakespeare (als “emporgekommene Krähe”) übel beschimpft, in der aber auch die Schauspieler (“puppets”) nicht ungeschoren davonkommen. Irrtümlicherweise unterstellt er, ich hätte “puppets”, hier ganz eindeutig in der Bedeutung “Schauspieler” verwendet, als “priests” gedeutet und reagiert gereizt: “puppets” means “priests,” a point repeated againg and again, we may ask why, if this is correct, Greene [...] did not call them priests” (59).

Das zweite, von mir neu erschlossene, von Honigmann jedoch übersehene Schriftzeugnis ist L’Envoy to Narcissus (1595) von Thomas Edwardes. [22] Dort wird über Shakespeare gesagt, er “unterscheide sich sehr von seinen Mitmenschen” und “schlage seine Zelte unter Klosterdächern auf”. Klöster, die zuvor das Erscheinungsbild englischer Landschaften und Städte, vor allem Londons, geprägt hatten, gab es zur Shakespeare-Zeit in England nicht mehr. Sie waren von Heinrich VIII. aufgelöst, zerstört oder zu Adelsresidenzen umgebaut worden. Der Dichter kann nur in Klöstern auf dem Kontinent logiert haben.

Einer der wichtigsten Beweise für das Engagement des Dramatikers im damals in England verbotenen Katholizismus ist ein Dokument, das seinen Kauf des östlichen Torhauses von Blackfriars in London im Jahre 1613 belegt. Dieses Torhaus war die geheime Anlaufstelle für verfolgte Katholiken. Durch einen Treuhändervertrag, der dem Alexander Hoghtons ähnelt, juristisch abgesichert, wurde die Nutzung des Torhauses auch über Shakespeares Tod hinaus sicher gestellt. Auf diese neuen, mit Hilfe von Wissenschaftlern anderer Disziplinen gewonnenen Erkenntnisse bezüglich des Shakespeareschen Hauskaufs, die sich stimmig in den Gesamtkontext der (religions)politischen Geschehnisse der Elisabethzeit einfügen, geht Honigmann leider gar nicht ein. Er moniert statt dessen, daß sie nicht mit der Version Schoenbaums übereinstimmten (“Something has gone badly wrong with her [Hammerschmidt-Hummel’s] version of the Blackfriars Gatehouse conveyance [260-61], compared with Schoenbaum’s” - 56). Das ist insofern ärgerlich, als Schoenbaums Deutung, es habe sich lediglich um ein Investment gehandelt, in keiner Weise überzeugen kann. Denn der Grad der Kompliziertheit dieser Treuhänderkonstruktion, die Verfügungen enthält, die weit über Shakespeares Lebenszeit hinausreichen [23], offenbart, daß Shakespeare einen erheblichen persönlichen Beitrag für das Überleben der alten Religion gemacht hat.

Leider läßt Honigmann unerwähnt, daß Shakespeares östliches Torhaus auf dem alten Klostergelände von Blackfriars nicht nur unter Hinzuziehung der schriftlichen historischen Quellen sowie eines Architekten genau lokalisiert wurde (ebenso wie erstmals auch das Blackfriars Theatre), sondern auch, daß es schon jahrzehntelang als Einrichtung des katholischen Untergrunds und zudem als Londoner Brückenkopf des Englischen Kollegs von St.-Omer genutzt wurde. Unerwähnt bleibt auch die von mir präzise dargelegte Rolle, die dieses Haus im Zusammenhang mit der Pulververschwörung des Jahres 1605 gespielt hat. Während Henry Garnett, der Superior der englischen Jesuiten, ergriffen, vor Gericht gestellt, abgeurteilt und gehängt wurde, gelang es dem zweiten Mann an der Spitze der englischen Jesuiten, John Gerard, einem Zögling des Collegium Anglicum und mit Shakespeare gleichaltrig, verkleidet und mit falschem Bart und Haar in eben diesem Gebäude Unterschlupf und Fluchthilfe zum Kontinent zu finden. [24]

Was nun die Patrone des Dichters (Lord Strange und der Graf von Southampton) betrifft, so bezweifelt Honigmann, daß sie “pillars of Catholicism” gewesen seien. Im Falle von Lord Strange ist die Beurteilung in der Tat nicht ganz einfach. Daß Strange, beeinflußt durch seine Ausbildung bei Hofe, der neuen Religion zugeneigt war und folglich Auseinandersetzungen mit seiner erzkatholischen Familie (insbesondere mit seinem Vater) hatte - wie Park Honan belegt - [25], leuchtet ein. Zu bedenken gegeben werden muß indessen auch, daß die englischen Exilkatholiken unter Führung von Sir William Stanley ihn für einen Katholiken gehalten und ihm auf Grund dieser Tatsache und seiner verwandtschaftlichen Nähe zum Thron die englische Krone angeboten haben.[26]

Im Falle des Grafen von Southampton ist allerdings festzuhalten, daß er aus einer streng katholischen Familie kam, daß sein Vater wegen seiner katholischen Bekenntnissen im Tower gesessen hatte, daß in seiner Residenz in Titchfield Abbey wie auch in seiner Londoner Residenz die Priester ein- und ausgingen und versteckt wurden. Wichtige Informationen über ihn aus den 1590er Jahren stammen übrigens aus der Feder des späteren Jesuitensuperiors Henry Garnett. Southampton, Shakespeares Förderer, Freund und Nebenbuhler, war in der Tat eine der Säulen des englischen Katholizismus im Inland - jedenfalls solange, bis er einige Jahre dem Regierungsantritts Jakob I. - auf dessen Drängen hin - Protestant wurde. Dies haben ihm die englischen Katholiken sehr verübelt.

Im übrigen verwehre ich mich gegen die Unterstellung der Schwarzweißmalerei der historischen Akteure und verweise auf meine zahlreichen differenzierten Personenprofile vor dem Hintergrund der aufgewühlten religionspolitischen Situation der Shakespeare-Zeit, darunter der Graf von Essex, Robert Cecil, Anthony Bacon, Francis Bacon und Robert Shirley. [27] Ich verweise auch auf die bizarre Biographie des Anthony Tyrrell. [29] Ich gebe jedoch zu, daß den englischen Krypto- und Exilkatholiken oft nur schwer beizukommen ist, denn sie bildeten ein verschwiegenes Netz. Im Falle Shakespeares räumt Honigmann ein: “To be fair, let us mention that Shakespeare’s evasiveness is puzzling and calls for an explanation” (55). Eine solche Deutung bietet sich mit Blick auf das Testament des Dichters an. Shakespeare vererbte dem jungen Juristen Thomas Combe (1589-1657) sein Schwert. Dieser symbolträchtige Akt konnte bisher nicht gedeutet werden. Da Combe später gegen die Puritaner Stratfords zu Felde zog und 1640/41 - als Katholik - auf der Rekusantenliste stand [29], wird deutlich, warum Shakespeare gerade diesem jungen Mann sein Schwert übertragen hat.

Wenn Honigmann - ohne nähere Begründung - die Auffassung vertritt, im Werk des Dichters fänden sich lediglich “katholische Attitüden” (“Catholic attitudes”) und der Dichter sei möglicherweise, als er seine Theaterkarriere in London begann, Protestant geworden (vgl. 54), so ist dies in keiner Weise nachvollziehbar. Denn gerade im literarischen Werk Shakespeares begegnet katholisches Gedankengut, begegnen katholischen Rituale, begegnen ausgesprochen positive Darstellungen von Priestern und Ordensleuten und Anrufungen der Jungfrau Maria sowie zahlreicher Heiliger in Hülle und Fülle. Dies hat seit dem 19. Jahrhundert viele Forscher vermuten lassen, Shakespeare müsse katholisch gewesen sein. Der verstorbene Kölner Kardinal Josef Frings, langjähriger Schirmherr der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft, der dieser Frage ein Kapitel seiner Autobiographie gewidmet hat, sagte in einem Vortrag “Es lässt sich aus seinem Werk auch mit ziemlicher Sicherheit zeigen, dass er für katholische Dinge, besonders für das Mönchswesen, viel Verständnis hatte [...].” [30] Nur beweisen konnte man Shakespeares Katholizismus auf diese Weise nicht.

Über mein Buch Das Geheimnis um Shakespeares ‘Dark Lady’. Dokumentation einer Enthülllung [31], mit dem sich zahlreiche andere Forscher intensiv beschäftigt und meine Ergebnisse voll bestätigt haben [32], urteilt Honigmann sehr abfällig, hat es aber ganz offensichtlich gar nicht gelesen. Andernfalls hätte er gewußt, daß alle Thesen des Buches sehr sorgfältig auf der Grundlage neuer Text- und Bildquellen erarbeitet und belegt wurden, daß daran mehrere Fachwissenschaftler anderer Disziplinen beteiligt waren und daß es sich bei der Aufdeckung der Beziehung zwischen Shakespeare und den Spencers nur um ein kleines Nebenergebnis gehandelt hat, das ich am liebsten verschwiegen hätte. [33] Bedauerlicherweise wurden die Ergebnisse meines Buches ohne meine Zustimmung an die englische Presse weitergegeben, die sie - unautorisiert - veröffentlichte und dabei die Beziehung zum englischen Königshaus in den Mittelpunkt stellte.

Schlußfolgerungen

Aus den Darlegungen erhellt, daß Honigmanns Thesen von den “katholischen Sympathien” der Shakespeares und den “katholischen Attitüden” in den Dramen des Dichters unhaltbar sind. Denn alle bekannten Quellen, wenn man sie denn zur Kenntnis nimmt, belegen, daß sich sowohl Shakespeare als auch seine Eltern, Verwandten, Lehrer, Freunde und Patrone - oft unter Einsatz ihres Lebens - zum katholischen Glauben bekannten und daß sich in den Dramen des Dichters nicht nur “katholische Attitüden” (was immer das heißen mag) nachweisen lassen, sondern auch zahlreiche konkrete Hinweise auf seinen Katholizismus finden, die in elisabethanischer Zeit kein protestantischer oder dem Protestantismus zugeneigter Dichter oder Dramatiker gemacht hätte. [34]

Honigmann scheint zu verkennen, daß ich mich in meiner Shakespeare-Biographie streng an die historischen Fakten halte sowie an neue bzw. neu erschlossene Text- und Bildquellen. Er scheint zu verkennen, daß ich mich in schwierigen Fällen stets auf den Sachverstand und das Urteil von zuständigen Wissenschaftlern anderer Disziplinen stütze. Mein Shakespeare - und dies betrifft auch die Rolle, die sein religiöses Bekenntnis in seinem Leben und Werk spielt - ist somit durch eine Vielzahl ganz unterschiedlicher zeitgeschichtlicher Quellen und gegenwärtiger Expertenmeinungen abgesichert.

Honigmann, der leider sogar eindeutige historische Zeugnisse (wie beispielsweise das Borromeosche Testament John Shakespeares oder William Shakespeares Erwerb der Anlaufstelle für flüchtige katholische Priester in Blackfriars) ignoriert bzw. nicht gelten läßt, klammert sich in vielen Fällen an einen überholten, im wesentlichen durch Samuel Schoenbaum vertretenen Forschungsstand. Er gleicht darin jenen frühneuzeitlichen Gelehrten, die moderne naturwissenschaftliche Erkenntnisse ablehnten, wenn sie der Lehrmeinung des Aristoteles widersprachen.


Anmerkungen:

[1] William Shakespeare. Seine Zeit - Sein Leben - Sein Werk (Mainz: Philipp von Zabern, 2003).

[2] (Manchester University Press, 1985, repr. 1998). Mit diesem Buch hatte Honigmann in der internationalen Fachwelt Aufsehen erregt. Die englische Shakespeare-Forschung hielt sich jedoch bedeckt. Man mied das Buch. Während Katherine Duncan-Jones den Namen Honigmann im Index von Ungentle Shakespeare. Scenes from his Life (London: Thomson Learning, 2001) viermal ausweist, jedoch jeweils im Zusammenhang mit anderen Werken des Autors, kommt er im Register des Buchs Shakespeare. For All Time von Stanley Wells kein einziges Mal vor (London/Basingstoke/Oxford, 2002).
Bei einem längeren Telefonat Anfang April 2003 stellte Honigmann der Verfasserin gegenüber fest, in Stratford-upon-Avon eine persona non grata zu sein. Im Verlauf des Sommers 2003 aber kam es zur Wiederaufnahme der Kontakte. Im Dezember 2003 erschien in Connotations Honigmanns Besprechung “Catholic Shakespeare? [...]”.

[3] Vgl. Shakespeare: The ‘lost years’ 28-30. Dies hat Sir Bernard mir gegenüber im November 2002 fernmündlich bestätigt.

[4] Vgl. dazu mein Buch Die verborgene Existenz des Willliam Shakespeare: Dichter und Rebell im katholischen Untergrund (Freiburg im Breisgau: Verlag Herder, 2001) 71ff.

[5] Siehe dazu meinen Vortrag ”Katholische Minderheitenkultur in England von 1580 bis 1650 mit besonderer Berücksichtigung von Shakespeare”, gehalten am 25. März 2003 auf dem Interdisziplinären Internationalen Kolloquium ”Religion und Kultur in Europa im 17. und 18. Jahrhundert” in Mainz (24.-27. März 2003). In der anschließenden Diskussion stellte sich überraschenderweise heraus, daß die rigiden antikatholischen Strafgesetze der Shakespeare-Zeit und ihre verheerenden Konsequenzen für die katholische Bevölkerung selbst den Experten praktisch unbekannt waren. Als Ergebnis wurde von dem Wiener Historiker Alfred Kohler festgehalten, das protestantisch definierte Bild vom elisabethanischen England nun der Dekonstruktion bedürfe.

[6] Vgl. dazu den in Kürze erscheinenden Tagungsband (Hg. Peter Claus Hartmann) des Kolloqiums.

[7] “An Apologie of Raymond Sebond”, in: Montaigne’s Essays: Renascence Editions, Book II. E-text [www.uoregon.edu rbear/montaigne/2xii.htm], provided by Ben R. Schneider, Lawrence University, Wisconsin, ? 1998 The University of Oregon [101].

[8] Vgl. William Shakespeare 31.

[9] Vgl. William Shakespeare Abb. 40.

[10] Vgl. Samuel Schoenbaum, William Shakespeare: A Documentary Life (Oxford: Clarendon Press, Scolar Press, 1975) 31-32.

[11] Vgl. William Shakespeare 12-14, Abb. 14 a.

[12] Am Ende des 16. Jahrhunderts konnten ca. 40 % der männlichen englischen Bevölkerung lesen, schreiben und rechnen. Um 1600 gab es in ganz England ca. 360 Grammar Schools, so daß auf ca. 13.000 Bürger eine Lateinschule kam (vgl. William Shakespeare 37).

[13] Vgl. Die verborgene Existenz 76-90.

[14] Vgl. Die verborgene Existenz 96 ff.

[15] Honigmann, Shakespeare 26: : “As I see it, the will is unclear and eccentric [...] and could have caused all kinds of trouble.”

[16] Vgl. Die verborgene Existenz 145.

[17] Vgl. Die verborgene Existenz 32-35.

[18] Vgl. Die verborgene Existenz 163.

[19] Vgl. William Shakespeare Anm. 86.

[20] William Shakespeare 71.

[21] William Shakespeare 90.

[22] Vgl. William Shakespeare 165.

[23] Vgl. William Shakespeare 262 ff.

24 Vgl. Die verborgene Existenz 141.

[25] Shakespeare. A Life (Oxford University Press, 1998), S. 66-67.

[26] Vgl. William Shakespeare 105-106.

[27] Vgl. dazu William Shakespeare, Teil IV: “Das machtpolitische Szenario am Ende der elisabethanischen Ära und Shakespeares Wende zum Tragischen” 171ff.

[28] Der abtrünnige katholische Priester und Regierungsspion Anthony Tyrrell bietet - vor und nach der Armada - das wohl krasseste Beispiel für den raschen Seitenwechsel vom Protestantismus zu Katholizismus und umgekehrt. Vgl. Die verborgene Existenz 155ff.

[29] Vgl. William Shakespeare 279-280.

[30] Zit. nach: Carsten Greiwe (ngz-online, Neuss-Grevenbroicher Zeitung) (updated 12. August 2003). Greiwe faßt eine Rezension von Lothar Bleeker über Die verborgene Existenz des William Shakespeare, erschienen in Carbones [Wissenschaftliche Schriftenreihe der Kardinal-Frings-Gesellschaft], zusammen, in der es heißt: “Die These stellt sicherlich eine der wenigen echten Sensationen in der Geschichte der Shakespeareforschung dar [...]. Dabei handele es sich um eine ‘höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Untersuchung einer ausgewiesenen Expertin.’”

[31] (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft und Primus Verlag, 1999).

[32] Ich verweise auf die Einträge meiner Homepage (www.hammerschmidt-hummel): ‘Bücher’, ‘Das Geheimnis um Shakespeares ‘Dark Lady’, ‘Rezensionen und Stellungnahmen’.

[33] Vgl. Das Geheimnis um Shakespeares ‘Dark Lady’ 115.

[34] Protestantische Dramatiker waren bestrebt, die Zeitgeschichte im Sinne der Obrigkeit aufzuarbeiteten. So rühmte Thomas Dekker in Hure von Babylon (1607) die Tugenden Elisabeths I. und unterstellte der ‘purpurfarbenen Hure von Rom’ Verrat und blutige Machenschaften. Er brachte herausragende Figuren des elisabethanischen Zeitalters auf die Bühne, darunter - aus protestantischer Sicht - auch Edmund Campion. Die (offenbar katholischen) Schauspieler aber änderten den Text in ihrem Sinne ab. Dekker wurde überdies kritisiert, er habe die Elisabeth-Zeit verfälschend dargestellt. Vgl. William Shakespeare 229.

 

***


Replik auf Rainer Schmitz “’My outcast state’. Gefangen im Netz der Indizien: War William Shakespeare tatsächlich ein Agent der römischen Kirche?”, Focus (12. Mai 2003):


Der Rezension meiner Shakespeare-Biographie (Focus - 12. Mai 2003) stellt Rainer Schmitz einen Überblick über die rigide antikatholische Gesetzgebung im England Elisabeths I. und die damaligen drakonischen Katholikenverfolgungen voran. Er erweckt den Eindruck, als handele es sich dabei um Allgemeinwissen, das in einschlägigen Nachschlagewerken nachgelesen werde könne: “Das Jahr 1585 war ein Höhepunkt der Katholikenverfolgung in England. [..] Eine antikatholische Gesetzgebung verfolgte Jesuiten, Priester und Gläubige. Denunzianten umschnüffelten ihre Nachbarn. Drakonische Strafen für jeden Widerstand: Enteignung, Ausweisung, Gefängnis, Tod”. Für die Wissenschaftler (mehrheitlich Historiker) des Interdisziplinären Internationalen Kolloquiums in Mainz über “Religion und Kultur in Europa im 17. und 18. Jahrhundert” (24.-27.03.2003) aber war dies allerdings neu, wie sich in der Diskussion im Anschluß an meinen dort gehaltenen Vortrag herausstellte. Der Wiener Historiker Alfred Kohler, Autor des bedeutenden Werks über Karl V., faßte die Diskussion zusammen: Nun bedürfe das über Jahrhunderte protestantisch definierte Geschichtsbild des elisabethanischen England der Dekonstruktion.

Schmitz hat also nicht von Allgemeinwissen Gebrauch gemacht, sondern von den Ergebnissen meiner Forschungen. Der aufrüttelnde Bericht William Allens zur Lage der englischen Katholiken fand in der maßgeblichen englischen Geschichtsschreibung bisher keine Erwähnung. In meinem Buch Die verborgene Existenz des William Shakespeare (2001) habe ich ihn auch für die Shakespeare-Forschung erschlossen. Darin heißt es:

“Wenn sie [unsere Brüder im katholischen Glauben in der ganzen Christenheit] all’ die Gefängnisse, Verliese, Fesseln, Blöcke, Folterbänke sehen könnten, die im ganzen [englischen] Königreich mit Katholiken gefüllt sind; wenn sie die Art und Weise erblicken könnten, in der sie sogar inmitten der übelsten Sorte von Kriminellen angeklagt werden; wie viele durch Hunger, Schmutz, verpestete Luft und vor Gram starben; wie viele auf grausamste Weise öffentlich hingerichtet wurden; wie viele Verbannung und Verurteilung zu lebenslanger Haft erduldeten; wie viele ruiniert und anderweitig schwerstens bestraft wurden, indem sie der Königin für jede Messe, an der sie teilnahmen, 100 Mark [= rund 67 Pfund] Buße zahlen mußten; wie viele Gentlemen und andere reiche Bürger dadurch gänzlich zugrundegerichtet wurden, daß sie 13mal 20 Pfund im Jahr zahlen mußten, weil sie nicht den Gottesdienst der Häretiker besuchten; wie viele alle ihre Ländereien und Güter verloren, weil sie aus Gewissensgründen aus dem Land flohen; [...] in welche Armut, in welches Elend und Unglück ihre Kinder getrieben werden; in welch großen Mengen sie deshalb übers Meer fliehen - in die verzweifeltsten Kriege [...] oder, wenn ihnen mehr Glück [...] beschieden ist, die Seminarien oder andere Einrichtungen besuchen, [...] während ihre Eltern im Elend leben.”

William Allen hatte 1568 das Collegium Anglicum in Douai (vorübergehend Reims) gegründet, wo Shakespeare - wie zahllose andere junge englische Katholiken, die den in Oxford und Cambridge obligatorischen Suprematseid mieden - offenbar eine katholische akademische Grundausbildung erhielt. Allen wurde 1587 römischer Kardinal und wäre im Fall des Sieges der spanischen Armada katholischer Erzbischof von Canterbury geworden.

Daß sich William Shakespeare, seine Eltern, Verwandten und Freunde zum katholischen Glauben bekannte und daß gerade er sich unter Lebensgefahr für das Überleben der alten Religion einsetzte, habe ich in dem oben genannten Buch auf der Grundlage von neuen bzw. neu erschlossenen zeitgenössischen Bild- und Schriftzeugnissen erstmals beweisen können. In meiner Biographie William Shakespeare. Seine Zeit - Sein Leben - Sein Werk (2003) wurde dies - anhand zahlreicher weiterer historischer Zeugnisse zusätzlich erhärtet, so daß nun fest steht: Shakespeares Katholizismus ist der Schlüssel zu Leben und Werk der Dichters.

Der Rezensent aber möchte die Leser glauben machen, daß der katholische Glaube des Barden ja schon immer bekannt gewesen sei, und verweist auf die schriftliche Überlieferung eines protestantischen Geistlichen (ca. 1688), derzufolge Shakespeare als “Papist” gestorben sei. Tatsache ist aber, daß diese Quelle in der bisherigen Forschung nicht ernstgenommen, sondern sogar als “müßiges Geschwätz” zurückgewiesen wurde, zumal sie den Mythos vom protestantischen Nationaldichter zu zerstören drohte.

Schmitz bezeichnet die von mir im Englischen Kolleg in Rom entdeckten alten Pilgerbuch-Einträge ‘Stratfordus’ bzw. ‘Stratfordiensis’, die viermal vorkommen, dreimal in den ‘lost years’(1585-1592) und einmal 1613, und sehr deutlich auf Stratford und Shakespeare anspielen, geringschätzig als als ‘kryptische Eintragungen’ und versucht die plausible Deutung unglaubwürdig zu machen. Daß in meiner Shakespeare-Biographie neue bzw. neu erschlossene Quellen für des Dichters heimlichen Katholizismus und auch seine heimlichen Reisen auf den Kontinent präsentiert werden, scheint dem Rezensenten nicht aufgefallen zu sein (vgl. dazu: “Interviews” - 1. Juli 2003). Oder sollte er sie dem Leser - in Ermangelung von echten Gegenargumenten - verschwiegen haben, um den intendierten Verriß nicht zu gefährden?

Fest steht, daß Schmitz bei seiner Beurteilung meiner Shakespeare-Biographie eine auf Tacitus und Cicero zurückgehende Grundregel des Schreibens nicht beachtet hat: sine ira et studio. Die zahlreichen, in meinem Buch unterbreiteten Beweise für Shakespeares Identität, seinen Katholizismus und seine Autorschaft an den weltberühmten Dramen sind ihm - wie es scheint - ein Dorn im Auge. Der Text läßt ahnen, daß sich sein unterschwelliger Zorn gegen die etablierte akademische Shakespeare-Forschung richtet, die die Autorschaft Shakespeares zu keiner Zeit jemals bezweifelt hat, weil die Quellenlage in diesem Punkt klar und eindeutig ist. Sein Eifer aber gilt - und auch das kann Schmitz kaum kaschieren - dem Earl of Oxford, in dem seine Anhänger gern “den wahren Shakespeare” sehen möchten. Es ist zudem nicht zu übersehen, daß der Rezensent alle anderen Kandidaten - es sind weit über fünfzig - gleichsam mit einem Federstrich aus dem Felde schlägt und es nur Oxford zubilligt, Anspruch auf das geistige Eigentum Shakespeares erheben können. Daß jedoch auch die Oxford-These in eklatantem Widerspruch zu den geschichtlichen sowie literatur- und kulturhistorischen Quellen steht, stört ihn nicht. An dem historischen Shakespeare interessiert ihn - seinen eigenen Worten zufolge - lediglich, wie sich dieser bei seiner “lebensgefährlichen geheimdienstlichen Wühltätigkeit in einem Netzwerk von Kombattanten und eingebunden in seine Familie und Liebeshändel [...] den Kopf freihalten konnte für seine Schauspielertruppe und dabei einmalige Werke schuf”. Dem Leser wird an dieser Stelle die Schlußfolgerung nahegelegt, der vielbeschäftigte Shakespeare könne nur schwerlich auch noch als Autor der weltberühmten Werke in Frage kommen. Da biete sich doch eher ein anderer an. Schmitz’ abschließende Aussage ist zwar kryptisch, doch der wohlvorbereitete Leser hat seine Lektion längst gelernt und weiß, wie er sie zu lesen hat: “Am Ende steckt dahinter [gemeint sind Shakespeares Dramen] vielleicht doch mehr als nur ein kluger Kopf” [Kursivdruck von der Verfasserin].

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Replik auf Uta Grossmann, ”Dem Größten auf der Spur”, Frankfurter Rundschau (14. August 2003):

Erfreulicherweise hat Uta Grossmann (”Dem Größten auf der Spur”, FR, 14.08.03) die wichtigsten methodischen und inhaltlichen Aspekte meiner Forschungen auf den Punkt gebracht: fächerübergreifendes Vorgehen, Zusammenarbeit mit Experten und ”Belege in Hülle und Fülle, eingebettet in die historischen Zusammenhänge”. Sie weist auch auf kritische Stimmen hin. An einer gründlichen Überprüfung meiner Thesen ist mir außerordentlich gelegen. Dem Frankfurter Kollegen Lobsien aber, der meint, ich habe mich ”methodisch wie inhaltlich” in ”merkwürdige Sachverhalte verrannt”, möchte ich entgegenhalten: Richtig ist, daß es im Leben und Werk William Shakespeares auf Schritt und Tritt Merkwürdigkeiten - oder besser Ungereimtheiten - gibt, die sich bisher nicht erklären ließen. Sie ergeben Sinn, wenn man sie vor dem bewegten religionspolitischen Hintergrund der Shakespeare-Zeit sieht. Denn das, was auf den ersten Blick ungereimt scheint, entspricht in Wirklichkeit der Typik katholischer Lebensläufe unter Elisabeth I. und Jakob I. Dazu gehören u. a. die gefährliche heimliche Ausübung des alten Glaubens und das für Eltern wie Studierende risikoreiche Studium am katholischen Englischen Kolleg in Douai bzw. Reims. Beide, Shakespeare und Marlowe, erwähnen diesen Studienort bzw. das Kolleg. Shakespeare kannte sogar die Nomenklatur seiner Klassen. Wenn der Frankfurter Anglist die Zeit gefunden hätte, die Auswertung meiner neuen Text- und Bildquellen zu prüfen, wäre ihm nicht entgangen, daß unter vielen anderen auch drei Frankfurter Professoren entscheidend an der Lösung schwieriger Probleme mitgewirkt haben: ein Mediziner, ein Jurist und ein Theologe. Wenn er die Fachdiskussion im einzelnen verfolgt hätte, wüßte er, daß bisher zweimal, aber vergeblich, versucht wurde, Teilergebnisse meiner Forschungen in Frage zu stellen (vgl. Anglistik 2/2000, 1/2002 u. 2/2002).

 

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