c . Leserbrief
“Shakespeare - oder nicht?”, Neue
Zürcher Zeitung (26. November 2002):
Im Sommer 2001 sorgte das sogenannte Sanders-Porträt als
angeblich einziges echtes Shakespeare-Bildnis in der internationalen Presse
für viel Aufsehen. Inzwischen gibt es das geschickt vermarktete Buch «Shakespeare's
Face» der kanadischen Journalistin Stephanie Nolen, das am 17. 10. 02
von Stefana Sabin in der NZZ vorgestellt wurde. Der Geschäftsmann Sanders
hatte an seinem Porträt für rund 100 000 kanadische Dollar wissenschaftliche
Untersuchungen durchführen lassen, darunter eine Röntgenaufnahme des
Gemäldes, die ergab, das nach dessen Entstehung nichts verändert wurde,
und eine Untersuchung mit der Radiocarbon-Methode an einem Stückchen Leinwand,
das, in späterer Zeit an seine Rückseite geheftet, die handschriftliche
Inschrift enthält: «Shakespeare, Born April 23, 1564 Died April 23,
1616 Aged 52 This Likeness taken 1603 Age at that time 39 ys.» Dieser
kleine Leinwandrest ist 340 Jahre alt (±50), wurde somit zwischen 1611
und 1711 hergestellt und reicht altersmässig nicht an die Entstehungszeit
des Bildes (1603) heran.
Tinte und Handschrift liess Sanders nicht untersuchen. Nur so hätte man
feststellen können, wann die Beschriftung erfolgte. Leider hat der Eigentümer
auch keine Identitätsprüfung durch Experten durchführen lassen.
Um diese bat ich den Sachverständigen des Bundeskriminalamts, Reinhardt
Altmann, der zwei unabhängige Testverfahren zur Identitätsfeststellung
anwandte, und zwar auf der Basis des authentischen und bestätigten Porträtstichs
in der ersten Werkausgabe Shakespeares von 1623 und der weiteren echten Shakespeare-Bildnisse
(Chandos- und Flower- Porträt sowie Darmstädter Shakespeare-Totenmaske).
In Altmanns Bildgutachten vom 8. August 2001 ist von extremen Unterschieden
einzelner Gesichtsteile, auch der Gesichtsumrissform, die Rede. Sein Fazit:
Der Bildvergleich spreche «gegen eine Identität». Ein entsprechender
Pressetext wurde im August 2001 bekannt gegeben und im September 2001 in der
Fachzeitschrift «Anglistik» veröffentlicht. Dieser müsste
auch Stefana Sabin bekannt gewesen sein.
Prof. Hildegard Hammerschmidt-Hummel
Johannes-Gutenberg-Universität (Mainz)
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