Auszug aus dem Beitrag von Gabi Henkel “Mit
BKA auf Shakespeares Spuren - Forscherin der Uni Mainz: Sanders-Porträt
stellt eindeutig nicht den berühmten Dramatiker dar”, Allgemeine
Zeitung Mainz (15. September 2001) [Forschung heute]
“Im Mai diesen Jahres erregte die Nachricht von der Entdeckung
eines Shakespeare-Gemäldes großes Aufsehen. Der kanadische Privateigentümer
Sanders hatte sich mit dieser Neuigkeit an die Öffentlichkeit gewandt.
Die an der Mainzer Universität tätige Shakespeare-Forscherin Hildegard
Hammerschmidt-Hummel kam jetzt jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem
Porträtierten eindeutig nicht um den berühmten englischen Dramatiker
handelt.
Was den Forscherdrang der Wissenschaftlerin, die sich seit
über 20 Jahren mit Shakespeare beschäftigt, nach dieser angeblichen
Sensationsmeldung zusätzlich anspornte: Es wurde behauptet, das Sanders-Gemälde
aus dem Jahre 1603 sei das einzige Bild, das den Künstler zu Lebzeiten
porträtierte und ihn “nach dem Leben” malte. Ob dem so ist,
vermag niemand besser zu beurteilen als die in Wiesbaden lebende Forscherin.
Sie hatte nämlich vor sechs Jahren zum ersten Mal die Authentizität
zweier Shakespeare-Bildnisse ermittelt, des Chandos-Porträts (circa 1594-95,
National Portrait Gallery, London) und des Flower-Portaräts (1609, Royal
Shakespeare Collection, Stratford-upon-Avon), beide benannt nach ihren Besitzern,
und zudem die Echtheit der Darmstädter Shakespeare-Totenmaske mit Hilfe
von Experten des Bundeskriminalamtes (BKA) und medizinischen Fachgutachtern
nachweisen können. Auch diesmal hatte sie das BKA um Unterstützung
gebeten. Sowohl der kriminaltechnische Bildvergleich, bei dem jedes morphologische
Detail, wie Nase und Lippen, von Experten verglichen werden, als auch das Trickbild-Differenzverfahren
kamen zu dem gleichen Ergebnis: Der Abgebildete ist nicht Shakespeare. Das Trickbild-Differenzverfahren
überprüfte zum Beispiel, ob die Gesichtshälfte des Sanders-Porträts
zu der eines gesicherten Bildnisses passt.
Ganz anders war es vor sechs Jahren, als das BKA das Chandos-Porträt, das
von einem Kollegen Shakespeares gemalt worden sein soll, und das Flower-Porträt
überprüfte. Damals stimmten beim Vergleich mit dem von Shakespeare-Freund
und Kollegen Ben Jonson bestätigten Titelbildnis (Droeshout-Stich) in der
ersten Werkausgabe der Shakespeareschen Dramen aus dem Jahre 1623 siebzehn morphologische
Merkmale überein. Schon bei einer Trefferquote von circa fünf könne
man praktisch davon ausgehen, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt.
Die Forscherin muss demnach die Hoffnungen der Familie Sanders enttäuschen,
deren Bild derzeit in der Art Gallery of Ontario in Toronto ausgestellt ist
und die laut der Expertin schon häufiger versucht habe, dessen Echtheit
nachzuweisen. Daran ändert auch das winzige zerlumpte Stück Leinwand
nichts, das hinten an dem Gemälde angebracht ist und auf dem geschrieben
steht, dass es sich um Shakespeare handeln soll. Zwar ist der Fetzen nachweislich
340 plus/minus 50 Jahre alt, aber eben nicht Bestandteil des Bildes. Dennoch
werden die vor sechs Jahren entdeckten zeitgenössischen Shakespeare-Porträts
vielleicht nicht die einzigen bleiben. Denn Hildegard Hammerschmidt-Hummel forscht
weiter nach Bildnissen des berühmten Sohnes Englands.”
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Mainzer Rhein-Zeitung (26. September 2001):
Kein Shakespeare
‘Mainz. Das kürzlich in Toronto/Kanada ausgestellte
‘Sanders-Porträt’, das angeblich ein Shakespeare-Bildnis sein
soll, stellt nicht den berühmten englischen Dramatiker William Shakespeare
dar. Zu diesem Ergebnis ist die Mainzer Shakespeare-Forscherin Hildegard Hammerschmidt-Hummel
gekommen, die sich bei ihrer Überprüfung an einem Gutachten eines
Sachverständigen des Bundeskriminalamtes orientiert hat. Das ‘Sanders-Porträt’,
das einem kanadischen Privatmann gehört, wurde mit Shakespeare-Bildnissen
aus einer Werkausgabe von 1623 und zwei weiteren als authentisch geltenden Darstellungen
verglichen. Die BKA-Verfahren ergaben zahlreiche signifikante Unterschiede zwischen
dem ‘Sanders-Porträt’ und den anderen als echt geltenden Bildern.
Hammerschmidt-Hummel hatte 1995 mit Hilfe von BKA-Experten die Echtheit der
Darmstädter Shakespeare-Totenmaske nachgewiesen. Dies war in den Folgejahren
durch weitere Fachleute bestätigt worden.”
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