Hildegard Hammerschmidt-Hummel - Homepage
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Aktualisiert: 01. Oktober 2007 / updated: 01 October 2007



Pressemitteilungen / Press Releases

Phönix und Taube / The Phoenix and the Turtle

c. Rezensionen / Reviews

Rotraut Hock, “Queen als Krähe. Anglistin löst gereimtes Shakespeare-Rätsel”, Allgemeine Zeitung Mainz (13. Mai 2002) und Wiesbadener Tagblatt (13. Mai 2002)

Im Jahre 1601 erschien in London eine kleine Anthologie von Gedichten mit dem harmlosen Titel "Love's Martyr or Rosaline's Complaint". Gereimter Liebeskummer, so schien es - nichts, was die Aufmerksamkeit eines Zensors hätte erregen müssen. Dennoch hatten die bedeutendsten Schriftsteller der Zeit Beiträge dazu geliefert - darunter auch der Dramatiker, Schauspieler und Theaterbesitzer William Shakespeare.
Sein kryptisches Gedicht "Phoenix und Taube" hat der Forschung 400 Jahre lang Rätsel aufgegeben. So viel war zu verstehen: es ging um den gemeinsamen Tod des Vogels Phoenix und der Taube, um ihr feierliches Leichenbegängnis in der Vogelwelt, an dem einige Vögel - Adler und Schwan - teilnehmen sollen, andere als "kreischende Gefährten des Bösen" aus dem Kreis der Trauernden verwiesen werden, bis das Gedicht zuletzt in der Totenklage mündet: "Wahrheit, Schönheit - sie verwesen! Alle, die ihr schön und wahr, kommt zur Urne, bringet dar ein Gebet dem Totenpaar!"

Forschung heute
Es lag von vornherein nahe, hinter diesen Versen mehr als eine Tiergeschichte zu vermuten - und so haben sich Generationen von Shakespeare-Forschern mit der Deutung abgemüht, ohne dass bisher eine schlüssige Erklärung gefunden wurde. Jetzt könnte das Rätsel gelöst sein: bei der Jahrestagung der Shakespeare-Gesellschaft in Weimar legte die Mainzer Shakespeare-Forscherin Prof. Hildegard Hammerschmidt-Hummel eine Interpretation vor, die mit großem Interesse aufgenommen wurde.
Hintergrund des Gedichtes sei der gescheiterte Aufstand des Grafen Robert von Essex ("Phoenix") und seines Freundes Henry Graf von Southampton ("Taube"). Essex - wenn man den zeitgenössischen Darstellungen glauben will: eine charismatische Persönlichkeit, aufgeschlossen und religiös tolerant, - war lange Zeit ein Günstling der Königin und hatte die Neider auf sich gezogen; darunter auch den einflussreichen Francis Bacon, der neben sich keine anderen Götter dulden mochte. Als es um die Nachfolge der "Virgin Queen" ging, verhärteten sich die Fronten. Essex versuchte am 8. Februar 1601 den Aufstand - aber die Londoner Bürger verweigerten ihm die Gefolgschaft. Am 19. Februar wird ihm der Prozess wegen Hochverrats gemacht, fünf Tage später wird er hingerichtet. Ein standesgemäßer Trauerzug bleibt dem Hochverräter versagt - und hier sieht die Mainzer Shakespeare-Forscherin den symbolischen Ort des Klagegedichtes.
Shakespeare, ein überzeugter Essex-Anhänger, müsse die Verse unmittelbar nach dessen Hinrichtung geschrieben haben - bevor er erfahren konnte, dass die "Taube" Southampton, die er mit dem Freund gemeinsam sterben lässt, begnadigt wurde. Die brisante Situation - und die Bezeichnung der Queen als "dreifach alte Krähe" - erklären, weshalb der Dichter eine Bildersprache wählte, die schon damals nur den Eingeweihten verständlich sein konnte.
Es ist nicht das erste Shakespeare-Rätsel, für das Hildegard Hammerschmidt-Hummel eine Lösung anbietet. Mit Neugier, Beharrlichkeit und modernsten kriminaltechnischen Methoden hat sie die Authentizität umstrittener Shakespeare-Porträts nachgewiesen, die Identität seiner Geliebten, der "Dark Lady" aus den Sonetten enthüllt und die Spuren der Vergangenheit bis in die Gegenwart verfolgt. William Shakespeare - das ist für die Literaturwissenschaft noch immer "der Stoff, aus dem die Träume sind."
Abb.: Graf Robert von Essex

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Michael Schramm, “Phönix, der katholische Rebell. Mainzer Shakespeare-Forscherin entschlüsselt Klagegedicht”, Frankfurter Allgemeine Zeitung (30. April 2002) - [Hochschulseite]

misc. MAINZ. Kann William Shakespeare Elizabeth I. als “dreifach alte Krähe” be­zeichnet haben? Hildegard Hammer­schmidt-Hummel zumindest glaubt das und nimmt weiter an, daß er in seinem Ge­dicht “Phönix und Taube” nicht nur auf be­deutende zeitgenössische Persönlichkeiten angespielt, sondern sogar in verschlüsselter Form, aber für seine Leser dennoch eindeu­tig Position für als Hochverräter verurteilte und hingerichtete Freunde bezogen habe. Am Wochenende hat die Mainzer Angli­stin die neuesten Ergebnisse ihrer For­schung auf der Jahrestagung der Deut­schen Shakespeare-Gesellschaft in Weimar vorgestellt.
Hammerschmidt-Hummel hatte erst im vergangenen Jahr mit einem Buch über Shakespeares “lost years” 1585 bis 1591 Aufsehen erregt. Sie vertrat darin die The­se, daß der berühmte Dichter diese Jahre im Untergrund vor allem in Frankreich und Rom verbracht habe, um die Bemühungen des Vatikans, England zu rekatholisieren, tatkräftig zu unterstützen. Getreu dieser These sieht die Wissenschaftlerin auch in “Phönix und Taube”, das die Forschung ge­legentlich als “das mysteriöseste englische Gedicht” bezeichnet und schon länger alle­gorisch zu deuten versucht hat, die Ausein­andersetzung zwischen Reformierten und Katholiken im Hintergrund. Das Klage­gedicht erschien 1601 in einer Anthologie.
1601 war auch das Jahr, in dem die Grafen von Essex und Southampton zum Tode ver­urteilt wurden, weil sie den Katholiken To­leranz versprochen hatten. Essex und Southampton - ein eng verbundenes, mora­lisch integres Freundespaar, das gemein­sam stirbt- sind nach Ansicht der Anglistin Phönix und Taube. Hingerichtete durften allerdings keine Totenmesse erhalten. Da­her sieht Hammerschmidt-Hummel in dem Gedicht ein “literarisches Totengedenken” für die Freunde Shakespeares. Die Gegner von Essex, die Gruppe um Robert Cecil, ei­nen engen Berater der Königin, sollten dem Begräbnis fernbleiben. Beiden sei es um die Nachfolge der kinderlosen Herr­scherin gegangen, die zu dieser Zeit 67 Jahre alt war. Das Klagegedicht hat genau 67 Zeilen, davon sind 15 der eigentlichen Klage gewidmet. Fünfzehn Jahre lang sei aber auch der Graf von Essex mit Elizabeth befreundet beziehungsweise ihr Günstling gewesen, argumentiert Hammerschmidt­Hummel.
Sie sieht in “Phönix und Taube” das erste Zeichen für eine Neuorientierung Shakespeares, der nach der Jahrhundertwende keine Komödien, sondern nur noch Tragikomödien geschrieben habe. In ihrem neuen Buch, das dem Leben und Werk Shakespeares gewidmet sein wird, soll das Gedicht als Ausdruck für Shakespeares Resignation einen wichtigen Platz einnehmen.

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