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Aktualisiert: 01. Oktober 2007 / updated: 01 October 2007

Die Shakespeare-Illustration (1594-2000). Bildkünstlerische Darstellungen zu den Dramen William Shakespeares: Katalog, Geschichte, Funktion und Deutung. 3 Teile

[Shakespearian Illustrations (1594-2000). Pictorial representations to the plays of William Shakespeare: Catalogue, history, function and interpretation. 3 Vols.]

e. Repliken / Replies

 

Replik auf Sibylle Ehringhaus, “Hildegard Hammerschmidt-Hummel (Hg.): Die Shakespeare-Illustration (1594-2000). Bildkünstlerische Darstellungen zu den Dramen William Shakespeares: Katalog, Geschichte, Funktion und Deutung, Wiesbaden: Harrassowitz 2003, 3 Bde., 1568 [sic] S., 3100 Abb., ISBN 3-447-04626-0, EUR 228,00” in Sehepunkte - Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften - 4 (2004) Nr. 4

http://www.sehepunkte.de/2004/04/c3927.html

Fast jeder Satz der vorliegenden Besprechung offenbart, daß Sibylle Ehringhaus es darauf angelegt hat, die dreiteilige Bilddokumentation Die Shakespeare-Illustration (1594-2000) herabzusetzen. Die Herausgeberin und Autorin sollte dazu eigentlich schweigen und das Werk für sich sprechen lassen. Gleichwohl sieht sie sich zur Replik genötigt. Denn in ihrem Eifer, aufzeigen zu wollen, daß das Opus keine “repräsentative Bilddokumentation” sei und nicht “kunst- und literaturwissenschaftlichen Kriterien” genüge - verwickelt sich die Rezensentin in große Widersprüche. Das beginnt schon damit, daß sie am Anfang affirmativ konstatiert, jetzt liege “eine Publikation vor, die man ohne zu zögern in Anspruch, Ausstattung und Umfang und Gestalt ein Opus magnum nennen kann”. Das als Opus magnum gepriesene Werk wird anschließend jedoch mit abwertender Absicht als bloße “Kompilation” eingestuft. Bekanntlich hat eine Kompilation per definitionem wissenschaftlich praktisch keinen Wert.

Doch welcher Art sind die Beanstandungen, die eine solche Herabstufung rechtfertigen? In den Augen der Rezensentin wurde eine Aufteilung gewählt, “die schlichter und uninspirierter kaum vorstellbar ist”. Damit meint Ehringhaus die Gliederung der Bände und die Anordnung des Bildmaterials. Über beides haben die Projektleiter (Prof. Rudolf Böhm, Kiel, Prof. Horst W. Drescher, Mainz, und Prof. Paul Goetsch, Freiburg), der Kommissionsvorsitzende der Mainzer Akademie, Prof. Werner Habicht, mehrere DFG-Gutachter, darunter zwei Kunsthistoriker, und die Herausgeberin lange und intensiv beraten. Klar wurde "zugunsten einer Zuordnung der Bilder zum dramatischen Werk Shakespeares" entschieden, "und zwar nach ‘Drama’, ‘Akt’ und ‘Szene’” (“Notate der Herausgeberin”, Teil I, XIX). Dies ermöglicht es dem Benutzer, ganze Shakespeare-Dramen parallel zum Text 'bildlich zu lesen’. Ehringhaus aber übt daran gleichwohl heftige Kritik. Ihre nicht nachvollziehbare Begründung lautet, eine solche Zuordnung lasse es nicht zu, “über die Bilder vergleichend zu reflektieren”. Immerhin bestätigt sie, der erste Band enthalte - wie sie es nennt - “den Anteil der Reflexion”. Am Ende aber gelangt sie zu dem Urteil, die Reflexion fehle gänzlich und dies sei ein großes Manko des Werks.

Am Künstlerlexikon bemängelt die Rezensentin, dort seien die “Shakespeare-Darstellungen des jeweiligen Künstlers nur faktisch und nicht einmal vollständig erwähnt”. Daß die ‘vollständige Erwähnung’ der Shakespeare-Illustrationen eines Künstlers im Lexikon gar nicht möglich ist, fällt ihr nicht auf. Dabei hätte schon ein Blick auf das Künstlerregister genügt, um ihr zu zeigen, daß viele dieser Einträge so zahlreiche Bildverweise enthalten, daß ihre (Ehringhaus’) Forderung absolut unrealistisch ist.

Unangenehm berührt, daß Ehringhaus einen Vorzug des Lexikons irrtümlicherweise als Mangel deutet und - von dieser falschen Voraussetzung ausgehend - seinen “wissenschaftlichen Wert” in Frage stellt. “Entlarvend”, so betont sie, habe die Herausgeberin selbst erklärt: “Rund 15 Prozent dieser Viten sind in den Standard-Nachschlagewerken nicht verzeichnet” (Teil I, XXIII). Sollte der Rezensentin tatsächlich entgangen sein, daß gerade diese Einträge von besonderem Nutzen sind und zeit- und kostenintensive Recherchen nötig waren (etwa in der British Library, im Britischen Museum u. a.), um einschlägige Quellen, darunter handschriftliche Künstler-Listen und -Verzeichnisse früherer Jahrhunderte, aufzuspüren und sie später in mühseliger Kleinarbeit auszuwerten? Auf der Suche nach biographischen Angaben über Maler, Musiker, Schriftsteller etc. ist man im allgemeinen für jeden noch so kleinen Hinweis dankbar. Und wenn das Künstlerlexikon des Werks Die Shakespeare-Illustration nun eine ganze Reihe von Einträgen enthält, die man in den Standardlexika nicht findet, kann man dies - bei objektiver Betrachtung - wohl kaum als Manko bewerten. Natürlich ist es auch kein Mangel, daß die Künstlerviten knapp gefaßt sind, was aber von Ehringhaus gleichfalls beanstandet wird. Wenn sie zudem meint, die Viten gingen “nicht über die biografischen Eckdaten hinaus”, so ist dies schlichtweg falsch. Ich zitiere aus den “Notaten der Herausgeberin”: “Die Strukturierung der Einträge des Lexikons erfolgte, sofern bekannt, prinzipiell nach den Gesichtspunkten: (1) Ausbildung des Künstlers, Lehrer, künstlerische Prägung, (2) Einflüsse auf die künstlerische Entwicklung (Reisen, Kontakte, literarische Vorlieben), (3) Hauptwerke, (4) Auszeichnungen, (5) Ausstellungsorte, (6) stilistische Einordnung des künstlerischen Werks, (7) Wege des Künstlers zur literarischen Illustration, (8) Beziehung des Künstlers zum Theater, (9) Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Werk Shakespeares” (Teil I, XXIII).

Keiner der von Ehringhaus vorgebrachten Kritikpunkte hält einer Überprüfung stand. Die abschließenden Äußerungen der Rezensentin sind persönliche Meinungsbekundungen, die durch keinerlei Sachargumente untermauert werden und zudem völlig unzutreffend sind: “Man kann diese Sammlung”, so Ehringhaus, “wissenschaftsgeschichtlich in den Positivismus des 19. Jahrhunderts verorten.” Ferner meint sie, “die Arbeit [bleibe] ganz und gar unberührt von aktuellen Diskursen, wie der Rezeptionsgeschichte eines Gary Taylor beispielsweise.” Dem ist entgegenzuhalten, daß in “Geschichte, Funktion und Deutung bildkünstlerischer Werke zu Shakespeares Dramen” (Teil I) selbstverständlich, soweit dies möglich war, neueste Ansätze und Konzepte berücksichtigt. Wenn die Rezensentin dann auch noch auf Gary Taylors Buch Reinventing Shakespeare. A Cultural History from the Restoration to the Present (1990) verweist - gleichsam als Musterbeispiel, an dem die Herausgeberin/Autorin sich hätte orientieren sollen -, muß sie sich allerdings fragen lassen, ob sie mit diesem Werk überhaupt vertraut ist. Taylors interessante, aber recht salopp verfaßte Kulturgeschichte - der Titel der deutschen Übersetzung lautet: Shakespeare - Wie er euch gefällt. Geschichte einer Plünderung durch vier Jahrhunderte - wäre für die Arbeiten am Projekt “Die Shakespeare-Illustration” mit Sicherheit kontraproduktiv gewesen. Denn den Autor interessieren, wie er selbst sagt, Fragen nach der “kulturellen Vorherrschaft” des Dichters wie beispielsweise: “Wann wurde Shakespeare zum größten englischen Dramatiker erkoren? Zum größten englischen Dichter? Zum größten Dichter aller Zeiten?” (11). Sein Hauptanliegen formuliert Taylor am Ende seiner Einleitung: “Die Geschichte des wachsenden Shakespeare-Ruhmes muß deshalb die Annalen der Shakespeare-Kritik, des Theaters und vieler anderer Bereiche einbeziehen. Das gesamte Fach ist so umfassend, daß es dafür keinen Namen gibt. Da wir einen Namen brauchen, taufen wir es ‘Shakespearotik’” (12).

Auch der Ratschlag, den Ehringhaus zu guter Letzt nicht nur der Herausgeberin, sondern praktisch allen am Projekt Beteiligten erteilt, ist in mehrerer Hinsicht unangebracht: Das “damals von Horst Oppel zusammengestellte Material”, so argumentiert die Rezensentin, hätte man besser als “work-in-progress” belassen und “der Öffentlichkeit im Internet” anvertrauen sollen. Dies, so urteilt sie apodiktisch, wäre “dem Ansehen der Mainzer Akademie” zugutegekommen. Daß die Mainzer Akademie der Wissenschaften aber gerade den traditionellen Publikationsweg gewählt hat und den Traditionsverlag Harrassowitz damit betraute, stört sie nicht. Die Erkenntnis, daß man seine wertvollen Schätze - und um solche handelt es sich hier - indessen nicht einfach verschleudert, sondern in angemessener Form und unter Berücksichtigung der Willensbekundungen des Archivgründers präsentiert, kommt ihr nicht. Zudem hätte Ehringhaus, zumal in ihrer Eigenschaft als Kunsthistorikerin, eigentlich wissen müssen, daß ebenso wie für die vorliegende Publikation auch für eine Internetpublikation der immens zeitaufwendige und komplizierte Prozeß des Einholens der Bildrechte nötig gewesen wäre, daß aber in letzterem Fall zahlreiche Eigentümer ihre Rechte wohl gar nicht erteilt hätten.

Abschließend sollte nicht unerwähnt bleiben, daß die Einwände der Rezensentin - ihre Kritik an der Zuordnung und Einteilung des Bildmaterials und am Künstlerlexikon, ihre Empfehlung des Ansatzes von Gary Taylor, ihr Anraten einer Internetpublikation u.a. - in erstaunlicher Weise mit jenen Kritikpunkten übereinstimmen, die DFG-Gutachter aus Berlin und München schon vor Jahren vorbrachten, die damals jedoch einvernehmlich ausgeräumt wurden. Dem erfolgreichen Abschluß des Projekts in drei Bänden mit insgesamt 1772 Seiten (nicht 1568, wie Ehringhaus angibt) stand seither nichts mehr im Weg.

***

Replik auf Alexander Menden, “Das Kriminalgutachten. Eine schwierige Edition der Shakespeare-Illustrationen”, Süddeutsche Zeitung (23.04.03):

Mendens Rezension beginnt mit einem großen Mißverständnis. Mit “charakteristischer Bestimmtheit” habe der Dramatiker Ben Jonson den Lesern der ersten Werkausgabe Shakespeares geraten: “Nicht das Bild solle man betrachten, sondern das Buch.” Die dem Droeshout-Stich der ersten Werkausgabe Shakespeares beigefügten Zeilen von Ben Jonson sind jedoch zuvorderst - wie in der Renaissance üblich - eine Identitätsbeglaubigung. Folglich lautet derAuftakt: “Das Bildnis beigefügt allhier, / Den edeln Shakespeare zeigt es dir”. Da es dem Künstler indessen nicht möglich sei, auch den Geist (“wit”) des Dichters wiederzugeben, rät Jonson, eine glänzende Brücke zum Buch schlagend, zur Lektüre des Werks. Mendens Schlußfolgerung, Jonson habe den Porträtstich als “unvollkommen” verworfen, ist daher völlig verfehlt - ebenso wie seine Mutmaßung, der Stich habe “zu allerlei Spekulationen” um “die Identität des Autors” geführt. Denn die unbegründete Suche nach einem anderen Autor entzündete sich - wie das Beispiel Delia Bacon zeigt - an der Büste des Dichters in der Kirche zu Stratford, die, im englischen Bürgerkrieg von Puritanern demoliert, mit viel zu kurzer Nase wieder hergerichtet wurde und seither keine Ausstrahlung mehr besaß.
Da Menden keine stichhaltigen Einwände bzw. Gegenargumente vorbringt, ist seine an drei Beispielen festgemachte Kritik leicht widerlegbar.
(1) Im Falle von Peachams Federskizze zu Shakespeares Frühwerk Titus Andronicus aus dem Jahre 1594, in diesem Jahr mehrfach in London gespielt, war es mir möglich, anhand eindeutiger Kriterien (Wiedergabe individueller Personen mit bunt zusammengewürfelten Kostümen, teils historisierend, teils elisabethanisch, theatralische Choreographie, Anlehnung an den Normenkatalog der gestischen Zeichen des Barocktheaters u.a.) erstmals nachzuweisen, daß der Künstler eine Aufführung mitgezeichnet haben muß, so daß wir es hier mit elisabethanischen Schauspielern zu tun haben. Meine sorgfältig durch Bildvergleiche erarbeitete These, in der weiblichen Hauptrolle der Gotenkönigin Tamora sei Shakespeares erster großer Darsteller, Richard Burbage, und in der Titelrolle Shakespeare selbst wiedergegeben, trug ich im Januar 1995 der zuständigen Kommission der Mainzer Akademie der Wissenschaften vor und informierte die Mitglieder von meiner an den Präsidenten des Bundeskriminalamts gerichteten Bitte, meine These mittels Testverfahren zur Identitätsfeststellung bildlich dargestellter Personen zu überprüfen. Die von den zuständigen BKA-Experten durchgeführte Identitätsprüfung, bei der der vergrößerte Kopf der Tamora mit einem authentischen Burbage-Porträt verglichen wurde, erbrachte ein positives Ergebnis: Sechs Gesichtsmerkmale stimmten überein; eine Abweichung konnte nicht festgestellt werden. Wenn Alexander Menden dem Leser das umfangreiche Bildgutachten des BKA-Sachverständigen vom 03.05.1995, in dem der vorliegende Fall als erster gelöst wurde, verschweigt, die wissenschaftlich exakte Vorgehensweise der Verfasserin als “verwegen” abtut und ins Lächerliche zieht, so kann man ihm dabei wohl kaum folgen.
(2) Auch Mendens zweiter Kritikpunkt erweist sich als gegenstandslos. Er entzündete sich an meiner Aussage, Hogarth statuiere mit seiner Darstelllung des David Garrick als Richard III. “ein Exempel für eine zukunftsweisende Theatermalerei”. Ich konnte mich dabei auf die jüngere und jüngste Hogarth-Forschung stützen. Der Rezensent, dem dies entging, maßt sich eine sinnentstellende und parodistische Umschreibung dieses Satzes an, der viel über ihn selber aussagt. Dies gilt auch für die schmähenden Äußerungen des Rezensenten hinsichtlich der Ergebnisse des Buches Das Geheimnis um Shakespeares ‘Dark Lady’. Indem er ein kleines (absolut logisches) Nebenergebnis Prinzessin Diana betreffend hochspielt und ridikülisiert, zeigt er, daß er das Buch entweder nicht gelesen oder die Beweisführung nicht verstanden hat bzw. nicht verstehen möchte. Ich rate zur Lektüre der ausführlichen Diskussion in der Anglistik (September 2000), dem Fachorgan der deutschen Hochschulanglisten, aber auch der stilistisch und inhaltlich anspruchsvollen Besprechung von Esther Knorr-Anders in der SZ vom 10.11.1999.
(3) Was Menden über Boydells Shakespeare Gallery an Kritik vorbringt, verschlägt dem Kenner die Sprache. Es fragt sich, ob sich der Rezensent mit diesem Kernstück des einleitenden Teils “Geschichte, Deutung und Funktion der bildkünstlerischen Darstellungen zu Shakespeares Dramen” überhaupt befaßt hat. Denn dort unterstellt er der Autorin, “die Werke der Boydell-Sammlung als ‘subjektivistisch’ und ans ‘Rührselige’ grenzend” eingestuft zu haben. Sie hätten daher den Kriterien der Historienmalerei nicht genügt. Zur Richtigstellung sei hier der Schluß dieses Unterkapitels angeführt: “Die Arbeiten zu Boydells Shakespeare-Gallery sind überwiegend rückwärtsgewandt, orientieren sich an der konventionellen Historienmalerei und ordnen sich zuweilen allzu sehr dem Diktat des Mäzens unter. [...] Wenn John Boydell auch sein eigentliches Anliegen [die Etablierung einer englischen Historienmalerei auf der Basis der Dramen Shakespeares] nicht oder nicht dauerhaft verwirklichen konnte, so steht doch seine Shakespeare Gallery trotz materiellen Mißerfolgs einzigartig da. Unter den rund 170 Arbeiten befinden sich zahlreiche Werke von Rang, die einen bemerkenswerten Beitrag zur Interpretation der Dichtung Shakespeares darstellen, ganz gleich, ob sie die Kriterien der tradierten Geschichtsdarstellung erfüllen, von ihnen abweichen oder sie gänzlich mißachten. Der den Künstlern auferlegte Zwang, einen poetischen Stoff in Historienbilder klassizistischen Zuschnitts umzusetzen, hat dem Projekt eher geschadet als genützt. Boydells Shakespeare Gallery [...] ist auch wirkungsgeschichtlich von großer Bedeutung. Sie hat sowohl in England als auch in Deutschland zahlreiche Nachahmer gefunden. Kein Geringerer als Goethe war einer ihrer Bewunderer.”

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