Die Shakespeare-Illustration (1594-2000). Bildkünstlerische
Darstellungen zu den Dramen William Shakespeares: Katalog, Geschichte, Funktion
und Deutung. 3 Teile
[Shakespearian Illustrations (1594-2000). Pictorial representations
to the plays of William Shakespeare: Catalogue, history, function and interpretation.
3 Vols.]
e. Repliken / Replies
Replik auf Sibylle Ehringhaus,
“Hildegard Hammerschmidt-Hummel (Hg.): Die Shakespeare-Illustration
(1594-2000). Bildkünstlerische Darstellungen zu den Dramen William
Shakespeares: Katalog, Geschichte, Funktion und Deutung, Wiesbaden: Harrassowitz
2003, 3 Bde., 1568 [sic] S., 3100 Abb., ISBN 3-447-04626-0, EUR 228,00”
in Sehepunkte - Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften - 4 (2004) Nr. 4
http://www.sehepunkte.de/2004/04/c3927.html
Fast jeder Satz der vorliegenden Besprechung offenbart, daß Sibylle
Ehringhaus es darauf angelegt hat, die dreiteilige Bilddokumentation Die
Shakespeare-Illustration (1594-2000) herabzusetzen. Die Herausgeberin
und Autorin sollte dazu eigentlich schweigen und das Werk für sich
sprechen lassen. Gleichwohl sieht sie sich zur Replik genötigt. Denn
in ihrem Eifer, aufzeigen zu wollen, daß das Opus keine “repräsentative
Bilddokumentation” sei und nicht “kunst- und literaturwissenschaftlichen
Kriterien” genüge - verwickelt sich die Rezensentin in große
Widersprüche. Das beginnt schon damit, daß sie am Anfang affirmativ
konstatiert, jetzt liege “eine Publikation vor, die man ohne zu
zögern in Anspruch, Ausstattung und Umfang und Gestalt ein Opus magnum
nennen kann”. Das als Opus magnum gepriesene Werk wird anschließend
jedoch mit abwertender Absicht als bloße “Kompilation”
eingestuft. Bekanntlich hat eine Kompilation per definitionem wissenschaftlich
praktisch keinen Wert.
Doch welcher Art sind die Beanstandungen, die eine solche
Herabstufung rechtfertigen? In den Augen der Rezensentin wurde eine Aufteilung
gewählt, “die schlichter und uninspirierter kaum vorstellbar
ist”. Damit meint Ehringhaus die Gliederung der Bände und die
Anordnung des Bildmaterials. Über beides haben die Projektleiter
(Prof. Rudolf Böhm, Kiel, Prof. Horst W. Drescher, Mainz, und Prof.
Paul Goetsch, Freiburg), der Kommissionsvorsitzende der Mainzer Akademie,
Prof. Werner Habicht, mehrere DFG-Gutachter, darunter zwei Kunsthistoriker,
und die Herausgeberin lange und intensiv beraten. Klar wurde "zugunsten
einer Zuordnung der Bilder zum dramatischen Werk Shakespeares" entschieden,
"und zwar nach ‘Drama’, ‘Akt’ und ‘Szene’”
(“Notate der Herausgeberin”, Teil I, XIX). Dies ermöglicht
es dem Benutzer, ganze Shakespeare-Dramen parallel zum Text 'bildlich
zu lesen’. Ehringhaus aber übt daran gleichwohl heftige Kritik.
Ihre nicht nachvollziehbare Begründung lautet, eine solche Zuordnung
lasse es nicht zu, “über die Bilder vergleichend zu reflektieren”.
Immerhin bestätigt sie, der erste Band enthalte - wie sie es nennt
- “den Anteil der Reflexion”. Am Ende aber gelangt sie zu
dem Urteil, die Reflexion fehle gänzlich und dies sei ein großes
Manko des Werks.
Am Künstlerlexikon bemängelt die Rezensentin,
dort seien die “Shakespeare-Darstellungen des jeweiligen Künstlers
nur faktisch und nicht einmal vollständig erwähnt”. Daß
die ‘vollständige Erwähnung’ der Shakespeare-Illustrationen
eines Künstlers im Lexikon gar nicht möglich ist, fällt
ihr nicht auf. Dabei hätte schon ein Blick auf das Künstlerregister
genügt, um ihr zu zeigen, daß viele dieser Einträge so
zahlreiche Bildverweise enthalten, daß ihre (Ehringhaus’)
Forderung absolut unrealistisch ist.
Unangenehm berührt, daß Ehringhaus einen Vorzug
des Lexikons irrtümlicherweise als Mangel deutet und - von dieser
falschen Voraussetzung ausgehend - seinen “wissenschaftlichen Wert”
in Frage stellt. “Entlarvend”, so betont sie, habe die Herausgeberin
selbst erklärt: “Rund 15 Prozent dieser Viten sind in den Standard-Nachschlagewerken
nicht verzeichnet” (Teil I, XXIII). Sollte der Rezensentin tatsächlich
entgangen sein, daß gerade diese Einträge von besonderem Nutzen
sind und zeit- und kostenintensive Recherchen nötig waren (etwa in
der British Library, im Britischen Museum u. a.), um einschlägige
Quellen, darunter handschriftliche Künstler-Listen und -Verzeichnisse
früherer Jahrhunderte, aufzuspüren und sie später in mühseliger
Kleinarbeit auszuwerten? Auf der Suche nach biographischen Angaben über
Maler, Musiker, Schriftsteller etc. ist man im allgemeinen für jeden
noch so kleinen Hinweis dankbar. Und wenn das Künstlerlexikon des
Werks Die Shakespeare-Illustration nun eine ganze Reihe von Einträgen
enthält, die man in den Standardlexika nicht findet, kann man dies
- bei objektiver Betrachtung - wohl kaum als Manko bewerten. Natürlich
ist es auch kein Mangel, daß die Künstlerviten knapp gefaßt
sind, was aber von Ehringhaus gleichfalls beanstandet wird. Wenn sie zudem
meint, die Viten gingen “nicht über die biografischen Eckdaten
hinaus”, so ist dies schlichtweg falsch. Ich zitiere aus den “Notaten
der Herausgeberin”: “Die Strukturierung der Einträge
des Lexikons erfolgte, sofern bekannt, prinzipiell nach den Gesichtspunkten:
(1) Ausbildung des Künstlers, Lehrer, künstlerische Prägung,
(2) Einflüsse auf die künstlerische Entwicklung (Reisen, Kontakte,
literarische Vorlieben), (3) Hauptwerke, (4) Auszeichnungen, (5) Ausstellungsorte,
(6) stilistische Einordnung des künstlerischen Werks, (7) Wege des
Künstlers zur literarischen Illustration, (8) Beziehung des Künstlers
zum Theater, (9) Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Werk Shakespeares”
(Teil I, XXIII).
Keiner der von Ehringhaus vorgebrachten Kritikpunkte
hält einer Überprüfung stand. Die abschließenden
Äußerungen der Rezensentin sind persönliche Meinungsbekundungen,
die durch keinerlei Sachargumente untermauert werden und zudem völlig
unzutreffend sind: “Man kann diese Sammlung”, so Ehringhaus,
“wissenschaftsgeschichtlich in den Positivismus des 19. Jahrhunderts
verorten.” Ferner meint sie, “die Arbeit [bleibe] ganz und
gar unberührt von aktuellen Diskursen, wie der Rezeptionsgeschichte
eines Gary Taylor beispielsweise.” Dem ist entgegenzuhalten, daß
in “Geschichte, Funktion und Deutung bildkünstlerischer Werke
zu Shakespeares Dramen” (Teil I) selbstverständlich, soweit
dies möglich war, neueste Ansätze und Konzepte berücksichtigt.
Wenn die Rezensentin dann auch noch auf Gary Taylors Buch Reinventing
Shakespeare. A Cultural History from the Restoration to the Present (1990)
verweist - gleichsam als Musterbeispiel, an dem die Herausgeberin/Autorin
sich hätte orientieren sollen -, muß sie sich allerdings fragen
lassen, ob sie mit diesem Werk überhaupt vertraut ist. Taylors interessante,
aber recht salopp verfaßte Kulturgeschichte - der Titel der deutschen
Übersetzung lautet: Shakespeare - Wie er euch gefällt. Geschichte
einer Plünderung durch vier Jahrhunderte - wäre für die
Arbeiten am Projekt “Die Shakespeare-Illustration” mit Sicherheit
kontraproduktiv gewesen. Denn den Autor interessieren, wie er selbst sagt,
Fragen nach der “kulturellen Vorherrschaft” des Dichters wie
beispielsweise: “Wann wurde Shakespeare zum größten englischen
Dramatiker erkoren? Zum größten englischen Dichter? Zum größten
Dichter aller Zeiten?” (11). Sein Hauptanliegen formuliert Taylor
am Ende seiner Einleitung: “Die Geschichte des wachsenden Shakespeare-Ruhmes
muß deshalb die Annalen der Shakespeare-Kritik, des Theaters und
vieler anderer Bereiche einbeziehen. Das gesamte Fach ist so umfassend,
daß es dafür keinen Namen gibt. Da wir einen Namen brauchen,
taufen wir es ‘Shakespearotik’” (12).
Auch der Ratschlag, den Ehringhaus zu guter Letzt nicht
nur der Herausgeberin, sondern praktisch allen am Projekt Beteiligten
erteilt, ist in mehrerer Hinsicht unangebracht: Das “damals von
Horst Oppel zusammengestellte Material”, so argumentiert die Rezensentin,
hätte man besser als “work-in-progress” belassen und
“der Öffentlichkeit im Internet” anvertrauen sollen.
Dies, so urteilt sie apodiktisch, wäre “dem Ansehen der Mainzer
Akademie” zugutegekommen. Daß die Mainzer Akademie der Wissenschaften
aber gerade den traditionellen Publikationsweg gewählt hat und den
Traditionsverlag Harrassowitz damit betraute, stört sie nicht. Die
Erkenntnis, daß man seine wertvollen Schätze - und um solche
handelt es sich hier - indessen nicht einfach verschleudert, sondern in
angemessener Form und unter Berücksichtigung der Willensbekundungen
des Archivgründers präsentiert, kommt ihr nicht. Zudem hätte
Ehringhaus, zumal in ihrer Eigenschaft als Kunsthistorikerin, eigentlich
wissen müssen, daß ebenso wie für die vorliegende Publikation
auch für eine Internetpublikation der immens zeitaufwendige und komplizierte
Prozeß des Einholens der Bildrechte nötig gewesen wäre,
daß aber in letzterem Fall zahlreiche Eigentümer ihre Rechte
wohl gar nicht erteilt hätten.
Abschließend sollte nicht unerwähnt bleiben,
daß die Einwände der Rezensentin - ihre Kritik an der Zuordnung
und Einteilung des Bildmaterials und am Künstlerlexikon, ihre Empfehlung
des Ansatzes von Gary Taylor, ihr Anraten einer Internetpublikation u.a.
- in erstaunlicher Weise mit jenen Kritikpunkten übereinstimmen,
die DFG-Gutachter aus Berlin und München schon vor Jahren vorbrachten,
die damals jedoch einvernehmlich ausgeräumt wurden. Dem erfolgreichen
Abschluß des Projekts in drei Bänden mit insgesamt 1772 Seiten
(nicht 1568, wie Ehringhaus angibt) stand seither nichts mehr im Weg.
***
Replik auf Alexander Menden, “Das
Kriminalgutachten. Eine schwierige Edition der Shakespeare-Illustrationen”, Süddeutsche Zeitung (23.04.03):
Mendens Rezension beginnt mit einem großen Mißverständnis.
Mit “charakteristischer Bestimmtheit” habe der Dramatiker
Ben Jonson den Lesern der ersten Werkausgabe Shakespeares geraten: “Nicht
das Bild solle man betrachten, sondern das Buch.” Die dem Droeshout-Stich
der ersten Werkausgabe Shakespeares beigefügten Zeilen von Ben Jonson
sind jedoch zuvorderst - wie in der Renaissance üblich - eine Identitätsbeglaubigung.
Folglich lautet derAuftakt: “Das Bildnis beigefügt allhier,
/ Den edeln Shakespeare zeigt es dir”. Da es dem Künstler indessen
nicht möglich sei, auch den Geist (“wit”) des Dichters
wiederzugeben, rät Jonson, eine glänzende Brücke zum Buch
schlagend, zur Lektüre des Werks. Mendens Schlußfolgerung,
Jonson habe den Porträtstich als “unvollkommen” verworfen,
ist daher völlig verfehlt - ebenso wie seine Mutmaßung, der
Stich habe “zu allerlei Spekulationen” um “die Identität
des Autors” geführt. Denn die unbegründete Suche nach
einem anderen Autor entzündete sich - wie das Beispiel Delia Bacon
zeigt - an der Büste des Dichters in der Kirche zu Stratford, die,
im englischen Bürgerkrieg von Puritanern demoliert, mit viel zu kurzer
Nase wieder hergerichtet wurde und seither keine Ausstrahlung mehr besaß.
Da Menden keine stichhaltigen Einwände bzw. Gegenargumente vorbringt,
ist seine an drei Beispielen festgemachte Kritik leicht widerlegbar.
(1) Im Falle von Peachams Federskizze zu Shakespeares Frühwerk Titus
Andronicus aus dem Jahre 1594, in diesem Jahr mehrfach in London gespielt,
war es mir möglich, anhand eindeutiger Kriterien (Wiedergabe individueller
Personen mit bunt zusammengewürfelten Kostümen, teils historisierend,
teils elisabethanisch, theatralische Choreographie, Anlehnung an den Normenkatalog
der gestischen Zeichen des Barocktheaters u.a.) erstmals nachzuweisen,
daß der Künstler eine Aufführung mitgezeichnet haben muß,
so daß wir es hier mit elisabethanischen Schauspielern zu tun haben.
Meine sorgfältig durch Bildvergleiche erarbeitete These, in der weiblichen
Hauptrolle der Gotenkönigin Tamora sei Shakespeares erster großer
Darsteller, Richard Burbage, und in der Titelrolle Shakespeare selbst
wiedergegeben, trug ich im Januar 1995 der zuständigen Kommission
der Mainzer Akademie der Wissenschaften vor und informierte die Mitglieder
von meiner an den Präsidenten des Bundeskriminalamts gerichteten
Bitte, meine These mittels Testverfahren zur Identitätsfeststellung
bildlich dargestellter Personen zu überprüfen. Die von den zuständigen
BKA-Experten durchgeführte Identitätsprüfung, bei der der
vergrößerte Kopf der Tamora mit einem authentischen Burbage-Porträt
verglichen wurde, erbrachte ein positives Ergebnis: Sechs Gesichtsmerkmale
stimmten überein; eine Abweichung konnte nicht festgestellt werden.
Wenn Alexander Menden dem Leser das umfangreiche Bildgutachten des BKA-Sachverständigen
vom 03.05.1995, in dem der vorliegende Fall als erster gelöst wurde,
verschweigt, die wissenschaftlich exakte Vorgehensweise der Verfasserin
als “verwegen” abtut und ins Lächerliche zieht, so kann
man ihm dabei wohl kaum folgen.
(2) Auch Mendens zweiter Kritikpunkt erweist sich als gegenstandslos.
Er entzündete sich an meiner Aussage, Hogarth statuiere mit seiner
Darstelllung des David Garrick als Richard III. “ein Exempel für
eine zukunftsweisende Theatermalerei”. Ich konnte mich dabei auf
die jüngere und jüngste Hogarth-Forschung stützen. Der
Rezensent, dem dies entging, maßt sich eine sinnentstellende und
parodistische Umschreibung dieses Satzes an, der viel über ihn selber
aussagt. Dies gilt auch für die schmähenden Äußerungen
des Rezensenten hinsichtlich der Ergebnisse des Buches Das Geheimnis um
Shakespeares ‘Dark Lady’. Indem er ein kleines (absolut logisches)
Nebenergebnis Prinzessin Diana betreffend hochspielt und ridikülisiert,
zeigt er, daß er das Buch entweder nicht gelesen oder die Beweisführung
nicht verstanden hat bzw. nicht verstehen möchte. Ich rate zur Lektüre
der ausführlichen Diskussion in der Anglistik (September 2000), dem
Fachorgan der deutschen Hochschulanglisten, aber auch der stilistisch
und inhaltlich anspruchsvollen Besprechung von Esther Knorr-Anders in
der SZ vom 10.11.1999.
(3) Was Menden über Boydells Shakespeare Gallery an Kritik vorbringt,
verschlägt dem Kenner die Sprache. Es fragt sich, ob sich der Rezensent
mit diesem Kernstück des einleitenden Teils “Geschichte, Deutung
und Funktion der bildkünstlerischen Darstellungen zu Shakespeares
Dramen” überhaupt befaßt hat. Denn dort unterstellt er
der Autorin, “die Werke der Boydell-Sammlung als ‘subjektivistisch’
und ans ‘Rührselige’ grenzend” eingestuft zu haben.
Sie hätten daher den Kriterien der Historienmalerei nicht genügt.
Zur Richtigstellung sei hier der Schluß dieses Unterkapitels angeführt:
“Die Arbeiten zu Boydells Shakespeare-Gallery sind überwiegend
rückwärtsgewandt, orientieren sich an der konventionellen Historienmalerei
und ordnen sich zuweilen allzu sehr dem Diktat des Mäzens unter.
[...] Wenn John Boydell auch sein eigentliches Anliegen [die Etablierung
einer englischen Historienmalerei auf der Basis der Dramen Shakespeares]
nicht oder nicht dauerhaft verwirklichen konnte, so steht doch seine Shakespeare
Gallery trotz materiellen Mißerfolgs einzigartig da. Unter den rund
170 Arbeiten befinden sich zahlreiche Werke von Rang, die einen bemerkenswerten
Beitrag zur Interpretation der Dichtung Shakespeares darstellen, ganz
gleich, ob sie die Kriterien der tradierten Geschichtsdarstellung erfüllen,
von ihnen abweichen oder sie gänzlich mißachten. Der den Künstlern
auferlegte Zwang, einen poetischen Stoff in Historienbilder klassizistischen
Zuschnitts umzusetzen, hat dem Projekt eher geschadet als genützt.
Boydells Shakespeare Gallery [...] ist auch wirkungsgeschichtlich von
großer Bedeutung. Sie hat sowohl in England als auch in Deutschland
zahlreiche Nachahmer gefunden. Kein Geringerer als Goethe war einer ihrer
Bewunderer.” |
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